Von Natascha Brunnhofer und Margareta Petermandl
Um uns neue Impulse für unseren Lebensraum Schule zu holen, entschieden wir uns für einen Aufenthalt in Berlin – eine deutschsprachige Weltstadt, die für ihre Innovativität, Kultur, Wissenschaft und die vielfältigen Lebensweisen bekannt ist.
Wir besuchten zwei Berliner Schulen, die vor allem über einen großen Erfahrungsschatz und erprobte Strategien im Umgang mit Diversität verfügen.

ESBZ Berlin (Evangelische Schule Berlin Zentrum)
Die ESBZ ist eine private Gemeinschaftsschule, die für ihre innovative Lern- und Schulkultur bekannt ist. Wir nahmen an der Fortbildung „Schüler*innen schulen Lehrer*innen“ teil, bei der uns die Schüler_innen der Mittel- und Oberstufe als Expert_innen in eigener Sache von ihrem Schulalltag und den vielfältigen Settings der Schule erzählten. Das Interesse an dieser Veranstaltung ist groß, immerhin findet sie monatlich statt und lockt – so wie auch uns – auch Lehrpersonen aus dem Ausland an.
Beim Zuhören stellte sich sofort heraus, dass hier vieles erfrischend anders läuft. Das bekannte starre System wird an vielen Stellen durchbrochen und wird als „traurige Vergangenheit“ bezeichnet: Klassische Stundenpläne werden gesprengt, 40% des Unterrichts ist projektorientiert, Jahrgänge werden durchmischt, das traditionelle Sitzen in Bankreihen ist eher die Ausnahme, alle Schüler_innen machen ein Praktikum im Ausland, es gibt keine Hausübungen, der Schultag beginnt im sogenannten „Lernbüro“ und das selbstbestimmte Lernen im eigenen Tempo steht im Vordergrund.
Möglich gemacht wird das durch viele unterschiedliche Lernformate und natürlich durch die Menschen, die hinter der „Schule im Aufbruch“ stehen.
Besonders interessant waren für uns die in der Oberstufe eingeführten Lernformate, die das stärker nach den Interessen der Schüler_innen ausgerichtete und selbstorganisierte Lernen fokussieren.
Dazu zählt zum Beispiel die „Pulsarwoche“, die von den Lehrpersonen fächervernetzt aufbereitet wird. Die Schüler_innen dürfen sich nach Interesse für eines der vielen angebotenen Themen anmelden. Inhaltliche Basis der Pulsare sind die Vorgaben aus den Lehrplänen.
Weiters finden einwöchige „Lernexpeditionen“ statt, bei denen sich die Schüler_innen allein oder in Kleingruppen mit einem Thema ihrer Wahl eigenverantwortlich auseinandersetzen. Hierbei geht es um keine akademische Bewertung, sondern darum, ganz wie auf einer abenteuerlichen Expedition, selbstbestimmt Fortschritte zu planen, Ziele zu stecken und etwas für sich selbst zu entdecken bzw. zu erforschen.
Auch in vielen anderen Projekten, wird die Eigen- und Fremdverantwortung der Schüler_innen gefördert, der Blick auf die Stärken gerichtet und über den „schulischen Tellerrand“ geblickt.
Was nach einem eindrucksvollen Tag an der ESBZ bleibt: Man fühlt sich vom Enthusiasmus angesteckt und spürt seinen eigenen Entdeckergeist. Es klingt wie das Loslösen von vielen unliebsamen Ketten, die vielen von uns nur allzu bekannt sind. Für manche Veränderungen braucht es jedoch Strukturen bzw. das Durchbrechen der vorhandenen. Man sieht auch, dass man für Veränderung nicht das große Geld braucht, sondern Menschen, die eine Vision haben.
OSZ Lise-Meitner (berufsbildendes Oberstufenzentrum für Naturwissenschaften)
Am zweiten Tag besuchten wir das OSZ Lise-Meitner in Neukölln, an dem naturwissenschaftliche Laborberufe ausgebildet werden.
Wir wurden auf diese Schule aufmerksam, da sie einen eigenen „Diversity“-Projekttag durchführte, an demWorkshops und Exkursionen, z. B. an eine Moschee oder das Schwule Museum angeboten wurden. Parallel dazu gab es in der Schule 20 Workshops, z. B. von den Vereinen „Kino gegen Extremismus“ oder „Hufeisern gegen Rechts“.
In einem informativen Gespräch mit der Schulleiterin erfuhren wir nicht nur von den Erfolgen und tollen Projekten der Schule, sondern auch von den Schattenseiten dieser Großstadt, wie etwa Bildungsarmut oder Schüler_innen, die aus prekären Verhältnissen stammen und bewundernswerterweise dennoch einen Schulabschluss schaffen.
Auch in diesem Gespräch kristallisierte sich heraus, dass Ideen und Bewegungen im Schulalltag mit den Personen stehen und fallen, die sie tragen.
Nach diesen beiden Tagen durften wir uns mit vielen neuen Impulsen im mentalen Gepäck, aber auch der schönen Gewissheit, dass vieles davon in unserer Schulgemeinschaft bereits gelebt und von vielen tollen Menschen getragen wird, in das Flugzeug zurück nach Graz setzen.
